Begegnungen
Weiss - Kapitel 5 - Teil II
sehr großen Werkzeugen und lauten Farben. Jedes Mittel erschien uns recht, unserer Kraft Ausdruck zu verleihen. Die freie, scheinbar unkontrollierte Geste war Lebensstil und willkommenes Mittel zur Bildfindung. Nach etwa drei Jahren begann ich mich zurückzuziehen. Nach kurzer Zeit an der Akademie war mir klar geworden: Alles ist schon gesagt worden. Es gibt keine neuen Botschaften. Das catch as catch can des Kunstbetriebes machte mich so wütend, dass ich in einem Anfall von Raserei mein Atelier zertrümmerte, die Farben und Leinwände durcheinander warf.
Ich wollte Schluss machen mit der Kunst. Das aufgeregte Suchen, das zwanghafte Erfinden neuer Bild - und Ausdrucksformen, das konkurrierende Gegeneinander der Kunststudenten ging mir auf den Geist. Sollte mein Leben als Künstler darin bestehen, mein Alleinstellungsmerkmal zu definieren und meine Nische zu finden und gegen die Anderen zu verteidigen oder auf Kosten Anderer zu leben? Nach zwei Wochen betrat ich mein Atelier um aufzuräumen und den Auszug vorzubereiten.
![]() |
Sedimentbild 39 (Streifenbild) |
Die umgestürzten Farbkübel waren auf und unter den Leinwänden
festgetrocknet. Wunderbare, von selbst entstandene Farb - und Formvarianten,
Materialabdrücke und Strukturen förderte ich zutage indem ich
die Leinwände vom Boden abzog. Dies war Bildfindung nicht durch Wollen
sondern durch Werden. Nicht Suchen sondern Finden. Beobachtung und Reflexion
eines Wachstumsprozesses. Den eigenen Gestaltungswillen so weit wie möglich
ausschalten. Zwischen den Gedanken sein. Monochrom. Polychrom. Any colour
is good colour. Der Entschluss zu beenden war notwendiges Innehalten.
Es geht nicht um die Suche nach Neuem sondern es geht um das Erkennen
des Bestehenden. Es geht um Bildwerdung des Bestehenden.